Alpiner Einsteigerkurs an der Franz-Senn-Hütte vom 04.07.20-10.07.20
Gerne blicke ich zurück auf die interessante Woche in den Stubaier und berichte folgendes:
Vor der Fahrt fand ein Treffen mit unserem Fachübungsleiter Bergsteigen, Eckhard Klinkhammer mit dem Grund statt, herauszufinden, welche Erwartungen vorhanden sind, wie es um die Ausrüstung bestellt ist und über welche Vorkenntnisse die Mitfahrenden verfügen. Bei diesem Treffen wurden u.a. historische Ausrüstungsgegenstände entdeckt und ordnungsgemäß entsorgt. Geplant war eine Tour, die neben der Freude an der Natur, den Bergen und dem Bergsteigen auch Wissen vermitteln sollte. Zunächst waren nur Michael Liebig, Rudi Gerhards und Regina Kappenstein Teile der Seilschaft. Spontan kamen vor der Hinfahrt noch Yvonne und Karl-Heinz Grohmann hinzu, sodass die Hinfahrt durch zwei Fahrgemeinschaften bestritten werden sollte: Team Ahr und Team Eifel. Die vereinbarte Treffpunktzeit für Team Eifel war 6:45 Uhr. Als Rudi und Tochter um 6:47 Uhr noch nicht auf der Matte standen, war Eckhard sicher, dass die beiden verschlafen hatten und griff sogleich zum Hörer. Das Klingeln muss im Hause Gerhards lange nachgehallt haben, denn um 6:48 Uhr fuhr das Auto schon vor. Es wurde nicht lange gequatscht, sondern Rucksäcke eingeladen und schon ging es runter Richtung Ziel. Ganz im Sinne einer modernen Familie saßen die Papas vorne und die Töchter konnten es sich auf der Rückbank gemütlich machen. Team Ahr war schon donnerstags losgefahren und sollte an der Oberissalm angetroffen werden. Nach einer relativ staufreien Fahrt konnte der etwa anderthalbstündige Aufstieg zur Franz-Senn-Hütte bei bestem Wetter und lachender Sonne in Angriff genommen werden. Dazu noch ein Hoch auf die Materialseilbahn, die es auch dem faulsten Wanderer, Bergsteiger und alpinen Drahtseilkünstler erlaubt, mit leichtem Gepäck aufzusteigen.
Nach dem deftig gekochten (und jeden Abend leckeren) Abendessen gab es noch eine kurze Besprechung, in der auch die Aufgaben verteilt wurden: Yvonne als „Last (wo)man standing“ (Letzter Mann), Michael als Zeugwart, Karl-Heinz als der Wettermann, Rudi, von Beruf Mathematiker, als Berechnungskünstler für Länge und Dauer einer Tour und Spaßkanone und Regina als die Person, die kontrolliert, ob jeder allmorgendlich die richtige Ausrüstung für die Tour beisammen hat. Eckhard, als Gesamtverantwortlicher, wollte uns mit dieser Aufgabenaufteilung nahebringen, welche Aspekte für die Planung einer Tour von Bedeutung sind, um uns das Planen eigener Touren zu ermöglichen. Darüber hinaus gab es einige Hinweise über das umweltschonende Verhalten in den Bergen (wenig Wasser brauchen, wenig Seife, biologisch abbaubare Seife verwenden……), welches auch zu Hause praktiziert werden sollte.
Am zweiten Tag ging es pünktlich wie die Maurer um 7:45 Uhr an den Aufstieg zur Vorderen Sommerwandspitze. Erreicht wurde der Gipfel gegen 10:30. „Keine Hetze“ und „In der Ruhe liegt die Kraft“ wurde nicht nur gedacht, sondern auch aktiv gelebt. So hatten wir immer genügend Zeit die Bergwelt zu genießen. Anfangs gingen wir über steile Bergpfade, am Schluss über einen ausgesetzten Grad mit einigen Drahtseilversicherungen, dem Gipfelkreuz entgegen. Wir genossen den herrlichen Ausblick auf die umliegenden Berge und Gletscher. Im Anschluss an den Gipfel gab es noch Übungen zur Seilschaft mit Standplatzbau und der Zwischensicherung am Berg. Der Abstieg fand abseits der Wege teilweise über Blockwerk und Almwiesen (es wurden keine Blumen niedergetrampelt) statt und führte uns zu einem kleinen Bergsee. Karl-Heinz nutzte die Gunst der Stunde, entfloh flott seinen Klamotten und genoss eine Runde Schwimmen im kühlen Wasser. Auch Rudi ließ sich das nicht zweimal sagen und begleitet von freudigem Jauchzen schwamm er von Ufer zu Ufer. Die anderen Vier sahen sich das Spektakel aus sicherer Entfernung an und konnten sich ein Lachen nicht verkneifen als Rudi es sich zur Aufgabe machte, nicht durch den schlammigen Uferabstrich aus dem Wasser zu kommen. Am Abend gab es noch Übungen zur Spaltenbergung mit der losen Rolle und der Nutzung des Prusikknoten als Rücklaufsperre.
Der Montag galt dem Erklimmen der Rinnenspitze. Auf dem Weg dorthin begegneten wir Murmeltieren, kleine Nager, die erstaunlich schnell flitzen können. Regina konnte mit dem Erreichen des Gipfels das Besteigen eines Dreitausenders von Ihrer Bucket-Liste streichen. Gestört wurde dieser schöne Moment nur von einer Drohne, die gefährlich wie ein Bienenschwarm summend, über unseren Köpfen schwebte. Auf dem Rückweg vom Gipfel ließen wir den Pfad links liegen und suchten unseren Weg selbstständig über die Moränenfelder mit riesigen Blöcken zum Rinnensee. Eckhard wusch sich im See die Füße. Vorbei ist die Zeit der Wasserscheu in den Bergen. Ein Hoch auf das Älterwerden! In aller Ruhe schauten wir uns die umliegende Berg- und Gletscherwelt an und verweilten rund 2 Stunden am See. Zurück gingen wir im weglosen Gelände und erreichten den Pfad Richtung Hütte.
Der vierte Tag war dem Sommerwand Ferner (Gletscher) gewidmet. Eine Überschrift für den Tag hätte auch „Rudis Abstecher ins Lawinengebiet“ oder „Die Suche nach dem kleinsten Tritt“ sein können. Regina war gebeutelt durch Muskelschmerzen in den Beinen. Wenn man trotzdem nach oben will, bleibt einem nur übrig, möglichst kleine Tritte zu finden und zu nutzen und das wurde zum einzigen Gedanken bis wir den Anfang des Sommerwand Ferners erreichten. Ganz schön viel Kram, den wir eingepackt im Rucksack, mitnahmen: Steigeisen, Pickel, Gamaschen, Handschuhe, Gurt, Karabiner, Eisschrauben und Seile. Das alles wurde uns von Eckhard erklärt, danach angelegt und nach dem Partnercheck ging es ins Seil eingebunden, im Gänsemarsch in Serpentinen den Gletscher hoch. Man kann eigentlich nur weinen, wenn man sieht, was der (menschgemachte) Klimawandel mit der Natur macht. Wir können froh sein, einen Gletscher noch im echten Leben und nicht nur auf Bildern gesehen zu haben. Während der Pause hielt es Rudi nicht lange im Sitzen und er beschloss einen kleinen Spaziergang zu machen. Erst Zurufen, hektisches Winken und die Selbsterkenntnis, dass Lawinenabgänge doch nicht so leicht allein zu meistern sind, brachten ihn dazu aufzugeben und kehrt zu machen. Auch lässt sich ansonsten über Rudi sagen, dass er seiner Aufgabe als Spaßkanone vollkommen gerecht wurde. Niemand freute sich so sehr wie er über das „Sönnche“ und er ließ uns das nicht vergessen. Es kam zu vielen lustigen Momenten, wenn seine „Horschis“ (Hörgeräte) versagten und er manchmal das Gegenteil von dem tat, was ihm zugerufen wurde. Beim Abstieg lernten wir durch praktische Übungen einen Ankerpickel vergraben, die Spaltenbergung als Mannschaftszug oder mit loser Rolle, Eisschrauben setzen und die Abalakow-Methode zum Abseilen. Zum Schluss gab es noch Übungen zum Gehen auf Blankeis und eine kleine Rutschpartie im Firnhang, bei der wir übten, was bei einem Sturz auf Eis und Schnee zu tun ist.
Den nächsten Tag verbrachten wir in Hüttennähe und nutzen die Zeit zur Erläuterung der Regeln zur Begehung von Klettersteigen und setzten das gelernte in die Praxis bei der Begehung des Edelweißklettersteigs um. Danach nahmen wir uns Zeit für Übungen zum Abseilen. Anfangs mit zusätzlichem Sicherungsseil. Später seilten wir ca. 20m alleine ab. Macht richtig Laune! Im Anschluss lernten wir „Aufprusiken“ am Seil, für den Fall einer Selbstrettung. Das kostet Kraft und gibt Hunger. Nach der Mittagspause ging es in den Klettergarten an die Sommerwand Sektion A, wo Eckhard und Michael im Fels vorstiegen und die anderen folgten. Wir lernten Sicherungstechniken und Abseilen.
Den letzten Tag begannen wir wie immer um sechs Uhr morgens, ab halb sieben saßen wir beim Frühstück und besprachen die letzte Tour. Auch an diesem Tag konnten wir uns über bestes Bergwetter freuen. Beim Aufstieg zum Schafgrübler sahen wir mehrere Murmeltiere und nahmen uns einen Moment Zeit, sie in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten. Wir ließen es uns nicht nehmen, den Schafgrübler zu überschreiten und suchten uns auf der anderen Seite einen Weg hinunter zur Hütte. Ein kurzes Stück lang wurde Rudi zum Hüter der Schafe, die ihm treu folgten. Für den Abend nahmen wir uns vor, uns am Klettersteig im Höllendrachen zu versuchen. Ein sehr imposanter Anblick, wie die Wassermassen durch die enge Schlucht tosen und dabei einen Höllenlärm verursachen. Zum Glück gibt es einen Notausstieg, den Yvonne, Regina und Michael nutzten. Karl-Heinz und Eckhard durchschritten den Höllendrachen ganz. Rudi, der zunächst auch die partielle Durchschreitung gewählt hatte, ließ es sich nicht nehmen, nochmal den ganzen Weg zu gehen. Die anderen standen derweil oben und warteten und warteten und warteten. Schließlich begab sich Eckhard nach unten, um nachzusehen, wo Rudi blieb. Dieser war an der schriftlichen Anweisung die Seilbahn über den reißenden Bach zu nutzen, gescheitert und hatte auf Rettung gehofft. Wir sind froh, dass Rudi gewartet hat, denn so wie er die Konstruktion hatte nutzen wollen, wäre er wohl erst unten im Fluss wieder zum Vorschein gekommen. Wir haben dem Hüttenwirt den Tipp dagelassen, die Anweisung für Mathematiker in Form einer Gleichung anzugeben. Apropos Gleichung: Wir sind wohl die erste Mannschaft, die sich damit rühmen kann, eine Formel für die Berechnung der Aufstiegszeit zu haben. Diese lautet wie folgt:
x = Höhenmeter in Meter; y = Aufstiegslänge in km
Gegeben: Höhenaufstieg 300m/ Std, Gehstrecke in der Ebene 4 Km/ Std, gilt nur für Ü_60
Gesucht: Aufstiegszeit t in Stunden
t1 = x/300 in Std.
t2 = y/4 in Std
Aufstiegszeit t in Std.:
t = max (t1,t2) + ½ min (t1, t2)
Abschließend kann ich hoffentlich für alle sprechen, wenn ich sage, dass wir eine sehr schöne Zeit in den Stubaier Bergen hatten, in der wir nicht nur viel gelernt und Gipfel bestiegen haben, sondern auch, so wie Michael es gerne morgens tat, die Zeit hatten, die Natur auf uns wirken zu lassen. Bei unserem Tourenführer Eckhard, bedanken wir uns herzlich.