Aus der Sicht des Tourleiters…
Marathonwanderung: diese hatte ich in einem Anfall von Euphorie im letzten Jahr in das Tourenprogramm geschrieben, und war gespannt ob sich jemand für diese lange Strecke anmelden würde. Am PC mit den entsprechenden topographischen Karten und der Garmin-Software geplant, wusste ich wenigstens theoretisch, was mich erwarten würde... Die Anmeldungen trudelten ein – von supersportlichen Damen, denen man die Fitness schon auf 500 m Abstand ansieht, hypermotivierten Jugendlichen mit entsprechender Selbstüberschätzung („wenn die das in deren Alter können, schaffen wir das locker“) und erfahrenen Herren („habe 53 Marathons gelaufen“) – gefolgt von einigen Abmeldungen („der Termin kollidiert mit einem 52-km langen Ultramarathon, den ich lieber renne“). Es gibt sie doch in der Sektion: die Ausdauer-Junkies. Letztendlich waren dann 5 Teilnehmer auf der Liste – und ich.
Nach einer Woche von super Wetter war die Wettervorhersage entsprechend (28 Grad, trocken, höchstens vereinzelt Schauer). Schon bei Ankunft am vereinbarten Treffpunkt (Infozentrum Nationalpark Höfen, km 0) kurz vor 7 in der Früh warteten diese hochmotivierten Teilnehmer im entsprechenden Minimal-Outfit (Regenjacken usw blieben im Auto); es fehlten nur die Hemdchen mit den Startnummern und der Startschuss. Auf der nebenliegenden Wiese schliefen noch die Pferde…
Die erste Strecke bis zur Deutsch-Belgischen Grenze ging es dann entlang der Wegführung des Eifelsteigs: herunter und vorbei an der schönen Perlenbachtalsperre, und dann über den in den Sandsteinen des Devons sehr schön angelegten, aber knackigen Jahrhundertweg des Eifelvereins Monschau bis Monschau, dann dem Eifelsteig folgend an Bachläufen, Wiesenpfaden und kleinsten Waldwegen bis zum höchsten Punkt der Wanderung am Stehling (650 m über NN, km 11m) auf dem Vennsattel. Die nach einem leichten Regenschauer (ok, war ja vorhergesagt) nassen Blätter von Gebüsch und Bäumen sorgten dann für eine nicht geplante Abkühlung bei Kaiser Karls Bettstatt, wo die Wege dann doch sehr eng wurden. Die Gruppe war noch sehr gesprächig (jeder redete mit jedem über alles Mögliche) und fand das vorgelegte Tempo in Ordnung (sprich: zu langsam!). Auf dem Stehling dann noch die Kontrolle mit dem GPS, die aktuellen Distanz stimmte mit der geplanten sehr gut überein, die ersten 400 Höhenmeter geschafft, Zeit unterwegs etwas mehr als 2 Stunden.
Herunter vom Stehling, hinein in das Hohe Venn! Dies sollte einer der landschaftlichen Höhepunkte der Wanderung sein. Wir überquerten einige auf aufgrund der kambrischen Tonsteine dort vorhandenen Vennstücke, aber irgendwie passte die aktuelle Wetterlage nicht mehr mit der Vorhersage: die Nordseite des Vennsattel war erst im Nebel, danach hörten wir Geräusche die erst als Kanonendonner von Elsenborn gedeutet wurden, die aber nach Verschwinden des Nebels klar ein aufziehendes Gewitter ankündigten. Nicht gerade lustig im Venn. So war ich froh, als die erste Asphalt-Strasse in Sicht kam, und führte die Gruppe auf diese Straße. Nach einigen Hundert Metern jedoch kamen mir Zweifel, und das GPS bestätigte, dass ich ein Vennstück zu früh abgebogen war. Also zurück, durch das letzte Stück Venn, was ich aufgrund dessen Topographie als sehr nass in Erinnerung hatte. Die Erinnerung trügte nicht, spätestens in der Nähe beim Getzbach waren die Füße nass, da zu überspringenden Tümpel (genau dort hören die Bohlenwege auf!) doch etwas breiter waren als für trockene Füße dienlich. Die Gruppe hatte trotzdem ein Grinsen auf den Gesichtern, und es kamen noch Kommentare wie schön es ist draußen in der Natur zu sein. Es blieb noch trocken, an eine Pause auf dieser Höhe jedoch war wegen des um den Vennsattel wabernden Gewitters nicht zu denken. Also herunter entlang des Getzbachs zur Wesertalsperre (350 m über NN), in tiefere Lagen.
Die Hoffnung trocken zu bleiben, wurde leider enttäuscht. Es fing an zu gießen, der Himmel öffnete alle Schleusen, die Bäche schwollen an zu Wasserfällen, die Temperatur fiel merklich, und die Gruppe ging noch fröhlich weiter, u.a. philosophierend über die erhöhte Lebensqualität durch Ausdauersport. Glücklicherweise hatten wir 2 Regenschirme dabei, die leider nicht für 6 Leute ausreichten, sodass der Tourleiter, heroisch verzichtend, nass wie ein begossener Pudel wurde. Die geplante Mittagspause am Ufer der Wesertalsperre fiel ins Wasser (es sei denn, man hätte Kiemen), und so verkrochen wir uns in das Restaurant bei der Staumauer (km 28, Zeit seit Start 5,5 Stunden). Das Gesicht der Bedienung war göttlich, als ich als erster der Gruppe in das Lokal kam und sie einen richtig nassen, wie gerade aus der Talsperre entstiegenen Besucher sah! In der Zwischenzeit war mein GPS ausgefallen, ich hatte 6 Batterien mitgenommen, die für die Entsorgung weggelegt waren statt mir neue zu nehmen. Also zurück auf die bewährte Methode „Lesen der Karte“.
Ein heisser Kakao und Tee, in Kombination mit Gummibärchen und anderem Junk-Food (plus gesunden Äpfeln, Möhren, etc.) brachte die Energie zurück. Es goss immer schlimmer (war das überhaupt möglich???), und so entschieden sich Anja und Olga für die vernünftige Variante – sitzenbleiben und abgeholt werden. Ein Telefongespräch (die Handys funktionierten ja), und dies war geregelt. Nach einer halben Stunde Pause machte sich der Rest der Gruppe (Sabine, Michael, Gregori und ich mit unseren beiden Regenschirmen) weiter auf den Weg.
Nach der Pause ging es dann noch durch den Wald, der die Schiefer- und Sandsteinen des Devonzeitalters bedeckt. An die zu Hause geplante direkte Route über Schneisen und weglosem Gelände war aufgrund des durchweichten Bodens nicht zu denken, also brav auf Waldwegen (naja, jedenfalls meistens…). Der Regen in Kombination mit den beiden vorhandenen Regenschirmen sorgte für eine gemütliche Stimmung, und nach einer Stunde standen wir dann am Waldrand, der zugleich den Rand der Ardennen bildet. Und er Regen war vorbei. Hurra!
Die beiden nächsten Stunden war dann ein Zick-Zack in dem Streifen zwischen Ardennen und Aachener Wald. Dieser mit Dörfern gespickte Grünstreifen folgt der unterliegenden Geologie (Kalksteine aus dem Karbon-Zeitalter), was ich dann an passenden Stellen den Teilnehmern zu vermitteln versuchte. Zur Vermeidung von viel befahrenen Asphalt-Straßen ging es dann über Hecken, Zäune und Stacheldraht über Wiesen; Felder und Wäldchen, und an neugeborenen Kälbchen vorbei, und das immer noch mit einem Lächeln auf dem Gesicht. In Hauset angekommen, fand ich dann noch einen neuen Wanderweg entlang der Geul (neu = nicht auf meiner 25 Jahre alten Karte verzeichnet), den wir trotz Umwegs noch entlangliefen zur Vermeidung von Asphalt. Am Rand des Aachener Walds angekommen, gönnten wir uns noch eine halbstündige Pause (km 42,5 = Marathonstrecke, Gehzeit 8,5 Stunden, 3 Stunden nach Aufbruch von der Wesertalsperre).
Der Aachener Wald war somit noch der Bonus auf die Marathonstrecke. Nach der Pause war das Gehen doch nicht mehr so hurtig, aber die Waldwege durch den aus Schichten der Kreidezeit bestehende Aachener Wald waren schön. In der Nähe des Waldrestaurants Entenpfuhl wurde der dezente Hinweis von mir, dass man hier schon Schluss machen könnte, von der Gruppe weggewischt – das Ziel sei das Dreiländereck und da möchte man doch bitte hin. OK – jedem Tierchen sein Pläsierchen! Also den Entenpfuhl mit dem verlockenden Eisbechern und dem Parkplatz rechts liegen gelassen (bitte nicht hinschauen), und dann am Kletterwald Aachen in das letzte Waldstück. Ich entschied mich für den direkten Weg, auf Umwege hatte ich keine Lust mehr. Der direkte Weg (quasi Luftlinie) führt genau entlang des ehemaligen Grenzgrabens und enthält die schärfsten Steigungen (sowohl hoch aus auch herunter), die der Aachener Wald zu bieten hat. Dafür konnte ich meiner Gruppe noch einige Lagen Feuersteine zeigen, diese hatte aber mit wackelnden Knien nicht mehr die richtige Aufnahmebereitschaft für geologisches Blabla des Tourleiters. Nach dem letzten richtig knackigem Anstieg waren wir dann am Dreiländereck D-B-NL (km 49,6 nach 10 Stunden Gehzeit), wo das obligatorische Foto gemacht wurde. Die Fotographen waren Anja und Olga, die uns dort frisch und munter willkommen hießen.
Nach einer Kakao-Pause in einem warmen Cafe am Dreiländereck fuhr Olga uns alle zurück zum Ausgangspunkt in Höfen. Nach der langen Wanderung war es ziemlich still im Auto, und ich war froh für die wohlige Sitzheizung. Bei Ankunft in Höfen bedankte sich jeder artig (und verabredete sich auf eine Wiederholung im nächsten Jahr ). Auf der nebenliegenden Wiese waren die Pferde wach…