Eine Klettertour, herausfordernd, wunderschön und für mich zeitlich, als Familienvater von 2 kleinen Kindern, im Urlaub vertretbar.
Samstag, 16.7.1994
Sehr früh fahre ich vom Ammersee los. Meine Familie schläft noch. Endlich wieder in den Bergen. 5 Tage Bergsteigen stehen bevor; 7 Viertausender sind geplant. Es ist herrliches, sehr heißes Wetter. Die Anfahrt nach Saas Fee (Schweiz) ist anstrengend. 2 Pässe und nur Landstraße, aber landschaftlich sehr schön. Ein guter Einstieg in eine tolle Woche.
In Saas Fee angekommen muß ich mich beeilen. Die letzte Gondel fährt um 16 Uhr. Auf zum Treffpunkt "Bergsteigerheim Längflueh", 2870m!
Karl Zöll, Reiner Müller, Kurt Kirsch, Achim Hohn, Rudi Thoß, Christoph Künstler, Ferdi Schilles und ich treffen uns zu einer anstrengenden Woche.
Nach einer kurzen Begrüßung und Besprechung der für Morgen geplanten "Aklimatisierungstour" gehen wir früh schlafen.
Sonntag, 17.7.1994
330Uhr, der Tag beginnt. Es ist immer noch viel zu warm für diese Höhe; der Tag verspricht wieder schönes, warmes Wetter.
Heute gehen wir auf den Alphubel (4206m). Nach einem kurzen Frühstück geht es um 4 Uhr los. Nach anfänglichen Schwierigkeiten uns bei der noch herrschenden Dunkelheit zurechtzufinden, treffen wir auf die Spur, die wir am Vortag mit dem Fernglas gesehen haben.
Der Schwierigkeitsgrad der Tour ist recht gering, jedoch sind die zurückgelegten Höhenmeter (1330m) recht anstrengend.
Nach fast 5 Stunden Gletscher sind wir alle um 855Uhr auf dem Gipfel. Der Gipfel ist ein großes Plateau auf dem wir uns den höchsten Punkt mit Hilfe eines Höhenmessers selber suchen müssen.
Bei super Wetter und toller Fernsicht verläuft der Abstieg zur Längflueh-Hütte problemlos und nach einem kurzen Gipfeltrunk und einem "Bergheil" fahren wir alle mit der Gondel ins Tal.
Jetzt geht es, nur noch zu sechst, mit dem Auto weiter ins wunderschöne Mattertal nach Randa. Dort übernachten wir sehr günstig bei der Familie Brantschen.
Montag, 18.7.1994
Um 6 Uhr ist Wecken. Nach dem Frühstück fahren wir mit dem Auto etwa 3km nach Täsch auf einen großen Parkplatz. Um 7 Uhr geht es mit der 1. Bahn weiter ins autofreie Gebiet - nach Zermatt. Von dort fahren wir mit der Seilbahn hinauf zum Kleinmatterhorn. Hier beginnt unser zweites Abenteuer.
Wir teilen uns in 2 Seilschaften. Karl, Christoph und Achim gehen den direkten Weg über das Breithornplateau zum Castor und nach dessen Überschreitung zu unserem nächsten Treffpunkt, der Quintino Sella Hütte.
Wir, Reiner, Ferdi und ich, wollen das Breithorn, den Pollux und den Castor überschreiten und heute abend ebenfalls in der Quintino Sella Hütte eintreffen.
Um 9 Uhr geht es los. Das Wetter ist herrlich und nach ca. einer Stunde und gemäßigter Anstrengung stehen wir auf dem Gipfel des Breithorns. Das Wetter hat gehalten, was es versprochen hat. Kein Wölkchen, tolle Fernsicht! Nach kurzen Verweilen gehen wir wieder hinunter. Wir beschließen den direkten Weg zu nehmen, das heißt erst in Richtung Schwarztor und dann weiter zum Einstieg auf den Pollux. Nach kurzer Zeit entscheiden wir uns, nicht den Normalweg zu gehen, sondern die Westflanke zu besteigen.
Die Sonne brennt noch auf unseren Köpfen, aber der Höhenmesser spielt verrückt. Das bedeutet nichts Gutes. Schlechtes Wetter kündigt sich an. Noch ein paar Minuten und die Wolken ziehen zusammen. Jetzt ist guter Rat teuer.
Nach einer kurzen Besprechung entscheiden wir uns dafür, den Pollux nicht zu besteigen, sondern sofort auf den Castor zu gehen und dann zur Quintino Sella Hütte abzusteigen. Gesagt - getan!
Am Zwillingsjoch, dem Einstieg zur Westflanke des Castor, geht es los.
Ein Gewitter!
Meine ersten Gedanken gelten der anderen Seilschaft. Wo mögen sie von diesem Gewitter überrascht worden sein?! Dann: Ein Gewitter in den Bergen ist sehr gefährlich, wie können wir uns schützen?!
Mittlerweile blitzte und donnerte es rund um uns. Was sollen wir tun? Sehr geeignete Plätze um vor den Blitzen sicher zu sein gibt es kaum und das Gewitter kommt näher.
Wir entscheiden uns für den Abstieg zur nächsten Hütte. Mit großen Schritten geht es abwärts, immer wieder treffen wir auf andere Seilschaften, die ebenfalls das gleiche Ziel verfolgen: Die Valle d´ayas Hütte (3420m).
Nach etwa einer Stunde Fußmarsch haben wir sie endlich erreicht. Es ist kalt und der Wind pfeift uns um die Ohren. Jetzt aber schnell rein! Draußen schneit es wie im Winter; es blitzt und donnert ununterbrochen. Ein richtiger, ungemütlicher Schneesturm. Zum Glück sitzen wir hier alle im Warmen.
Jetzt noch schnell nach einem Lager gefragt und dann entspannen.
"Was?? Kein Lager mehr frei, kein Platz mehr in dieser Hütte!? Absteigen zur Mezzalama Hütte (3020m)... Das gibt es doch nicht!! Wieder raus in diesen Sturm? Nein!"
Nach langem hin und her bekommen wir noch ein Lager und zwei von uns dürfen in der Gaststube auf dem Boden schlafen. Gott sei's gedankt. Wenigstens müssen wir nicht mehr raus.
Langsam wird es Mittag, der Sturm hält weiter an. Plötzlich geht die Tür auf und unsere andere Seilschaft steht vor uns. Jetzt fällt allen ein Stein vom Herzen. Diese Ungewißheit, was wohl die anderen machen, ist schrecklich. Karl, Christoph und Achim sind auf ca. 4000m von dem Unwetter überrascht worden und haben, so wie wir, die nächste Hütte zum Schutz gesucht.
Nun heißt es mit dem Hüttenwirt verhandeln. Um 1630 Uhr bekommen wir alle ein super Zimmer.
Dienstag, 19.7.1994
Am nächsten Morgen geht es um 7 Uhr los. Es ist bewölkt und wir haben unsere geplante Tour umgestellt. Auf Grund des schlechten Wetters lassen wir den Liskamm (4527m) aus und steigen über die Westflanke auf den Gipfel des Castors (4225m).
Am Fuß der Westflanke errichten wir ein Rucksackdepot, damit wir schneller wieder zurück sein können. Nur mit dem Nötigsten ausgerüstet steigen wir auf. Wir sind heute die Ersten und müssen uns die Spur selbst suchen. Es stürmt und schneit, die Sicht ist sehr schlecht. Wir müssen jeden Schritt genau überlegen. Der Ausstieg ist ca. 70° steil, mit Überhang. Der Gipfel ist grau in grau. Sehr schnell machen wir uns wieder an den Abstieg zu unseren Rucksäcken.
Nach einer kurzen Pause gehen wir weiter, mit dem Ziel, den Gipfel des Pollux (4092m) zu besteigen. Am Einstieg der Westflanke lassen wir wieder unsere Rucksäcke zurück und am Firngrat zum Gipfel hellt das Wetter auf. Am Gipfel angekommen, überrascht uns ein blauer Himmel und eine phantastische Fernsicht. Der Liskamm, die Dufourspitze und das Nordend sind zu sehen.
Mit etwas Wehmut im Herzen steigen wir auf dem Normalweg wieder ab. 3 der Viertausender konnten wir wegen des schlechten Wetters nicht besteigen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Bei den Rucksäcken angekommen gehen wir, nun wieder bei schlechterem Wetter, auf einem langen Gletscher zur Seilbahn vom Kleinmatterhorn. In Zermatt genehmigen wir uns ein gutes Essen und fahren dann wieder zurück nach Randa.
Mittwoch, 20.7.1994
Es regnet und ab 3500m gibt es Schnee. Ob das Wetter besser wird kann uns niemand sagen. Darum entschließe ich mich, zu meiner Familie zurück zu fahren und mit ihnen noch eine kleine Hüttenwanderung zu unternehmen. Die anderen wollen besseres Wetter abwarten und eventuell noch einmal aufsteigen.
Wallis, nächstes Jahr siehst du mich wieder!