Wie hoch 15m sein können! Ein kleiner Bach rauscht unter uns. Senkrecht ragt eine Mauer aus Gneisgestein hoch und oben stehen ein paar mutige Männer. Man könnte sie jedenfalls dafür halten.
Alle Knoten sitzen. Wir haben ja auch schon über eine Stunde lang geübt. Aber jetzt, wo es zum erstenmal daran geht, über die Kante der Felsmauer hinab zum Bach abzuseilen, steigt doch die Anspannung. Und unwillkürlich wird jeder Knoten noch einmal und noch einmal geprüft. Es hilft nichts - gnadenlos wird jeder Kursteilnehmer über die Kante komplimentiert. Und plötzlich macht Abseilen Spaß: "Darf ich noch mal?"
Franz-Senn-Hütte, Sommer 1996: Alpiner Basiskurs. Es fällt leicht, hier einen solchen Kurs anzubieten. Klettergärten und Abseilstellen in Hüttennähe, hochalpines Gelände mit allem, was man zur Allround-Ausbildung braucht, Gletscher, Fels, Klettersteig, Wanderwege, und nicht zuletzt eine gastliche Hütte mit hervorragenden Unterkünften und noch besserer Verpflegung.
Die Mannschaft: Christian und Jochen Blens, Wolfgang Gerlach, Guido Huppertz, Reinhard Höpfner und Hartmut Werner.
Auf sechs Teilnehmer war diesmal der Kurs begrenzt. Zurecht, wie wir jetzt wissen. 14 Teilnehmer auf einen Ausbilder lassen die Qualität des Kurses sinken.
Aber unsere kleine Gruppe konnte nun alles umsetzen, was geplant war: Knoten lernen, Anseilen, Abseilen, Klettern in Fels und Eis, Sichern, einen Klettersteig selbst bauen, mit Pickel und Steigeisen umgehen, einen Kameraden oder sich selbst aus einer Gletscherspalte befreien, sich im Gelände orientieren und obendrein auch noch Touren machen und Spaß haben.
Gipfeltour zur Inneren Sommerwandspitze. Im Morgengrauen ging's los (dem Morgen graut!?). Hinauf zur Edelweißwiese. Rast auf der Endmoräne des Sommerwandferners. Wir werden überholt: unsere Nachbarn aus Aachen führen ebenfalls einen Basiskurs hier im Stubai durch.
Die Aachener üben sich gerade im Gebrauch von Karte und Kompaß, als wir sie wieder überholen. Über die Mittelmoräne zum Gletscherrand.
Anseilen. Hier merkt man die Kälte am stärksten. Beeilung, in Bewegung bleiben! Der Gletscher hat kein Erbarmen mit uns. Der Neuschnee der letzten Wochen liegt hier noch gut einen halben Meter hoch und ist an der Oberfläche durch ständiges Aufschmelzen und Wiedergefrieren stark verharscht. Natürlich trägt der Harsch uns nicht. Entgegen alter Führermanier Spuren wir nicht sorgfältig, sondern machen ganz große Schritte, um vorwärts zu kommen. In herrlichem Sonnenschein und vom Schwitzen etwas angefeuchtet erreichen wir den Gipfelgrat an der Kräulscharte. Am kurzen Seil hinauf zum Gipfel. Wild fällt die Wand zum Alpeiner Kräulferner ab.
Der erste Dreitausender (des Tages, der Saison, des Lebens, je nachdem...). Wir haben ihn uns redlich verdient. Leicht war es nicht.
Unten auf dem Gletscher sehen wir die Aachener. Karte und Kompaß haben einen Weg weiter östlich vorgeschlagen. Die Betonung liegt auf "weiter". Wir bedauern eine Kursteilnehmerin, die mehr von der Unterseite der Harschdecke sieht als von der Oberseite.
Wie oft muß sie noch einbrechen, bis sie die Kräulscharte erreicht?
Wir machen ausgiebig Rast.
Beim Abstieg treffen wir die Aachener. "Sch...... Bruchharsch, was?" - "Erwähne das Wort in meiner Gegenwart nie wieder!" Tun wir auch nicht. Im Abstieg haben wir sowieso ganz andere Verhältnisse.
Die Sonne hat den Schnee kräftig aufgeweicht. Wir stehen bis zur Hüfte im kalten, wäßrigen Weiß. "Nur Mut, Guido! Das war keine Spalte, sondern nur ein Gletscherbach."
Im Abstieg noch die Vordere Sommerwandspitze. Ein Tag zum Gipfelsammeln. Und abends eine Obstkur.
Viel zu schnell geht die Woche zu Ende. Am letzten Tag statt Abschlußtour auf Wunsch der Teilnehmer eine Zusammenfassung aller Themen. Danach noch Klettern im herrlichen Gneis.
Also, Kameraden, frisch ausgebildete Bergsteiger: Auf in die Berge, sie sind für solche wie euch da! Sammelt Erfahrung, genießt die Zeit im Gebirge und laßt es so zurück, wie Ihr es gefunden habt!